Betriebsausgabenabzug für ärztliche Notfallpraxis im eigenen Haus ohne separaten Zugang möglich

Betriebsausgabenabzug für ärztliche Notfallpraxis in Wohnhaus ohne separaten Zugang - Behandlungsraum einer Ärztin kann "betriebsstättenähnlicher Raum" sein mit der Folge, dass die Aufwendungen steuerlich geltend gemacht werden können

(BFH, Urteil vom 29. Januar 2020, Az. VIII R 11/17)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Kosten für einen für Notfälle eingerichteten Behandlungsraum im privaten Wohnhaus einer Ärztin nicht dem Abzugsverbot für ein häusliches Arbeitszimmer unterliegen.

Eine Augenärztin hat zur Behandlung von Notfällen im Keller ihres privaten Wohnhauses einen Raum mit Klappliege, Sehtafel, Medizinschrank, mehreren Stühlen und medizinischen Hilfsmitteln eingerichtet. Einen gesonderten Zugang hat dieser Raum nicht; er ist nur vom Flur des Wohnhauses aus erreichbar. Die Klägerin machte die Aufwendungen für den Behandlungsraum als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der Feststellungserklärung der Gemeinschaftspraxis geltend.

Aufwendungen, die durch das Arbeiten zu Hause entstehen, unterliegen einem Abzugsverbot (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG in Verbindung mit § 9 Abs. 5 EStG). Der Gesetzgeber lässt nur zwei Ausnahmen zu:

  • Steht Ihnen für Ihre berufliche oder betriebliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, können Sie Ihre Kosten bis zu 1.250 Euro pro Jahr geltend machen (beschränkter Abzug).
  • Ist das Arbeitszimmer Mittelpunkt Ihrer gesamten beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit, sind Ihre Kosten unbeschränkt abzugsfähig.

Die Ausnahmen greifen in diesem Fall nicht, mithin hätte die Augenärztin die Aufwendungen für den Behandlungsraum steuerlich nicht geltend machen können. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht an. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht Münster ab. Da es an einem separaten Zugang fehle, sei der Behandlungsraum als Arbeitszimmer und nicht als betriebsstättenähnlicher Raum anzusehen.

Der Bundesfinanzhof hat der Klage der Augenärztin stattgegeben. Der Behandlungsraum sei nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Patienten zunächst Privaträume der Klägerin durchqueren müssen, als Arbeitszimmer anzusehen. Im Rahmen der für die Abgrenzung erforderlichen Gesamtwürdigung komme der Einrichtung des Raumes als Notfallpraxis, die eine private Mitbenutzung praktisch ausschließe, erhebliche Bedeutung zu. Damit liege ein betriebsstättenähnlicher Raum vor, sodass das Abzugsverbot für häusliche Arbeitszimmer nicht eingreife.

Katharina Lieben-Obholzer

Rechtsanwältin bei KMW