Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden einer Kapitalgesellschaft auch bei Liquiditätsmangel

FG Münster, Beschluss vom 15.10.2021, Aktenzeichen: 9-V-2341/21-K

Sachverhalt: Die Antragstellerin war alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer UG. Das Finanzamt behandelte Gehaltszahlungen der UG an die Antragstellerin als verdeckte Gewinnausschüttungen, was zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuerfestsetzungen führte. Zwischenzeitlich wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der UG eröffnet, woraufhin das Finanzamt die Antragstellerin nach § 69 AO für die rückständigen Steuerschulden der UG in Haftung nahm.

Das FG Münster stellte in seinem Beschluss vom 15.10.2021 fest, dass der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft eine Pflichtverletzung begeht und haftet, wenn er die Steuerschulden der Gesellschaft - selbst bei mangelnden Mitteln - nicht zumindest im gleichen Verhältnis tilgt, wie die Forderungen der anderen Gläubiger (Grundsatz der anteiligen Tilgung). Das Finanzamt darf somit nicht schlechter gestellt werden als die übrigen Gläubiger. 

Wenn die Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Steuerfälligkeit oder danach nicht mehr über genügend Mittel verfügt, um sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten einschließlich der Steuerschulden zu tilgen, dann handelt der Geschäftsführer in der Regel grob fahrlässig, wenn er die vorhandenen Mittel nicht zu einer in etwa gleichmäßigen Befriedigung aller Verbindlichkeiten einsetzt. So verhielt es sich in dem zugrundeliegenden Fall, da die Geschäftsführerin die Körperschaft- und Gewerbesteuerschulden außer Acht ließ und allein die sonstigen Gläubiger befriedigte. Denn eine Pflichtverletzung wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH angenommen, wenn der gesetzliche Vertreter es versäumt, die Steuerschulden der Gesellschaft in etwa in dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Forderungen der anderen Gläubiger, sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung. Grob fahrlässig ist eine Pflichtverletzung, wenn der Handelnde die Sorgfalt, zu welcher er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlichen hohem Maße außer Acht lässt.