Scheingesellschafter: Der größtmögliche anzunehmender Unfall für eine Berufsausübungsgemeinschaft mit dramatischen Folgen

Diese zwei Leitsätze des Bundesozialgerichts (BSG), Urteil vom 23. Juni 2010, Az.: B 6 KA 7/09 R, sind so wesentlich und werden doch nicht selten von Ärzten in BAG missachtet:

1. Ein Vertragsarzt übt seine Tätigkeit nicht in "freier Praxis" aus, wenn er weder das wirtschaftliche Risiko der Praxis (mit)trägt noch am Wert der Praxis beteiligt ist.

2. Weder der Status als Vertragsarzt noch die statusbegründende Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis stehen Richtigstellungen aufgrund einer gesetzwidrigen Gestaltung der beruflichen Kooperation entgegen.

Heute wurde mir wieder ein Scheingesellschaftsvertrag vorgelegt. Das hohe Risiko war den Mandanten nicht bekannt, schützt aber vor den existenzvernichtenden Folgen nicht. Die Interessen der Mandanten, den Juniorgesellschaftern nicht viele Entscheidungsbefugnisse und Vermögen abzugeben sowie das Interesse der Juniorgesellschafter, wirtschaftliche Risiken nicht tragen zu müssen, sind nachvollziehbar - eine Lösung ist anders möglich und zwingend notwendig.

Im vom Bundessozialgericht (Az.: B 6 KA 7/09 R) entschiedenen Fall nahmen drei niedergelassene Radiologen einen jungen Radiologen in ihre Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) auf, der nach Ablauf einer Probezeit als vierter Gesellschafter in die Praxis eingebunden werden sollte. Die Einbindung des Juniorpartners in die BAG hat jedoch nie stattgefunden. Vielmehr erhielt der junge Radiologe für die gesamte Dauer seiner Tätigkeit unter anderem ein Festgehalt, nahm nicht an Gesellschafterversammlungen teil und musste im Falle seines Ausscheidens seinen Anteil am Praxiswert unentgeltlich auf die BAG übertragen.

Die KV forderte daraufhin das Honorar der BAG im Wege einer sachlich-rechnerischen Berichtigung für 18 Quartale zurück- rund 880.000,00 EUR.

Hinweis: Die Abgrenzung zwischen freiberuflicher Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung erfolgt stets auf einer Wertung der Gesamtumstände. Entscheidend sind die vertraglichen Regelungen bzgl. der Verteilung der wirtschaftlichen Risiken und zur Geschäftsführung. Wichtig ist, dass jeder Gesellschafter an einem etwaigen Verlust der Gesellschaft beteiligt ist. Es muss tatsächlich der Gewinn der Gesellschaft verteilt werden. Ein "Gewinnanteil" von x Prozent der von dem Gesellschafter durch persönliche Tätigkeit erwirtschafteten Honorare ist nicht ausreichend, weil das zu erzielende Einkommen nicht vom Erfolg oder Misserfolg der gesamten Gesellschaft abhängt.

Gesellschaftsverträge von Berufsausübungsgemeinschaften sollten deshalb eingehend geprüft werden, diese Risiken sind vermeidbar und sollten nicht eingegangen werden. Die Vorteile überwiegen (ganz) sicherlich nicht. Gerne beraten wir Sie.

Katharina Lieben-Obholzer, Rechtsanwältin bei KMW, info@medizinrecht-aerzte.com, Stand: 13.05.2019