Ausgelagerte Praxisräume: Erreichbarkeit innerhalb von 30 Minuten genügt

Entscheidung Bundessozialgericht vom 06.04.2022, Az. B 6 KA 12/21 

Erbringt der Vertragsarzt spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen an weiteren Orten in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz (organisatorische Einheit), hat er Ort und Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit seiner Kassenärztlichen Vereinigung unverzüglich anzuzeigen. Grundsätzlich ist eine Auslagerung von Praxisteilen nur möglich, wenn die Durchführung bestimmter Leistungen apparative oder sonstige Voraussetzungen erfordert, die aus technischen, baulichen oder organisatorischen Gründen in den Räumen des Vertragsarztsitzes nicht hergestellt werden können. Weiterhin kann eine Auslagerung dadurch legitimiert werden, dass bestimmte apparative Einrichtungen zulässigerweise von mehreren Vertragsärzten gemeinsam genutzt werden („Apparategemeinschaft“).

Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Anforderungen an die Regelungen zum Betrieb von ausgelagerten Praxisräumen konkretisiert:

Beim Erfordernis der „räumlichen Nähe“ zumVertragsarztsitz nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV sehen die Bundesrichter die zeitliche Erreichbarkeit der ausgelagerten Praxisräume vom bestehenden Vertragsarztsitz innerhalb von maximal 30 Minuten als geeignetes Kriterium.

Weiterhin gilt aber, dass in ausgelagerten Praxisstätten nur spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen erbracht werden dürfen und – anders als in Zweigpraxen – nicht das gesamte Spektrum. Dabei beziehe sich der Begriff der „speziellen Leistungen“ nicht auf die jeweilige Arztgruppe, sondern auf das Leistungsspektrum der betreffenden Praxis oder des MVZ. Daher könne auch ein Arzt, der im Vergleich zur Fachgruppe insgesamt überwiegend spezielle Leistungen erbringt, in ausgelagerten Räumen nicht im Wesentlichen die gleichen Leistungen wie am Hauptsitz anbieten.

Voraussetzungen Auslagerung von Leistungen gemäß § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV
  • grundsätzlich nur spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
  • Erstkontakt zum Patienten nur am Vertragsarztsitz
  • räumliche Nähe zum Vertragsarztsitz (in der Regel nicht mehr als 30 Minuten entfernt)
  • keine Ankündigung und/oder das Abhalten von gesonderten Sprechstunden am Ort der ausgelagerten Praxisräume
  • persönliche Leistungserbringung
  • klare räumliche, personelle und organisatorische Abgrenzung zur Umgebung
  • eigenes Praxisschild (Hinweisschild ohne Sprechzeiten)
  • die Auslagerung der Praxisteile ist der zuständigen KV unter exakter Benennung der Leistungen, die ausgelagert erbracht werden sollen, anzuzeigen.

Das Vertragsarztrecht grenzt die ausgelagerten Praxisräume von der genehmigungs­pflichtigen Zweigpraxis ab.

Katharina Lieben-Obholzer, Rechtsanwältin bei KMW

Vertragsarztrecht, vertragsärztliche Versorgung, ausgelagerte Praxisräume, räumliche Nähe, Vertragsarztsitz