Gesellschafter der Träger-GbR gleichzeitig Angestellter im „eigenen“ MVZ?

Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, Gesellschaftsverträge so zu gestalten, dass eine Anstellung eines Gesellschafters nicht nur vertragsarztrechtlich möglich ist, sondern auch arbeitsrechtlich alle Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs des § 611a Abs. 1 BGB erfüllt sind.

Sachverhalt:  Begehrt wird die Anstellung von zwei Ärzten bei einer MVZ-GbR, die gleichzeitig Anteile an der GbR in beherrschendem Umfang halten. 

Die Gesellschafter gaben eine Erklärung über den Verzicht auf ihre vertragsärztliche Zulassung zugunsten der Anstellung beim MVZ - GbR ab. Der Zulassungsausschuss wies die beiden Gesellschafter darauf hin, dass Gesellschafter einer GbR aus Rechtsgründen nicht zugleich Arbeitnehmer derselben GbR sein könnten. Die Anstellung der Gesellschafter könne nur in der Rechtsform einer GmbH realisiert werden. Die Zulassung als MVZ erfolgte, weil es von der GbR der beiden vertragsärztlich zugelassenen Gesellschafter getragen werde.

Als Gesellschafter mit jeweils halbem Anteil hatten die beiden Vertragsärzte das MVZ gegründet, um das MVZ als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu betreiben.

Folgende gesellschaftliche Regelungen wurden u. a. geregelt:

  • Beschlüsse der Gesellschaft für ihre Wirksamkeit Einstimmigkeit bedürfen,
  • die Geschäftsführung und rechtsgeschäftliche Vertretung der Gesellschaft nach außen gemeinsam durch alle Gesellschafter erfolgt und
  • jeder Gesellschafter aber zur Erledigung laufender Geschäfte allein geschäftsführungs- und vertretungsbefugt ist.

Arbeitsverträge des MVZ mit den Gesellschaftern:

  • Die Gesellschafter haben sich im Gesellschaftsvertrag verpflichtet, durch Abschluss von Anstellungsverträgen im Umfang ihrer jeweiligen Versorgungsverträge sicherzustellen sowie auf ihre Zulassung zu verzichten, um von der Gesellschaft angestellt zu werden.
  • Das Anstellungsverhältnis sollte enden, wenn der Gesellschafter als solcher aus dem MVZ ausscheidet.

Entscheidung Zulassungausschuss: Die Anträge der Klägerin auf Genehmigung der Anstellung beider Gesellschafter lehnte der Zulassungsausschuss ab.

Zur Begründung führte er aus,

  • Der Antrag auf Anstellung der Gesellschafter konnte nicht genehmigt werden, weil eine Anstellung im MVZ nicht mit der Funktion eines Gesellschafters einer GbR vereinbar sei. Ein GbR-Gesellschafter könne nicht selbst als Arbeitnehmer seiner eigenen Gesellschaft angestellt werden, weil dadurch Anspruch und Verpflichtung in einer Person zusammenfielen.
  • Die GbR sei selbst nicht rechtsfähig und könne daher grundsätzlich nicht Vertragspartner eines Arbeitsvertrages sein.

Entscheidung Sozialgericht Magdeburg, Urteil vom 18.11.2020 – S 1 KA 25/18:  Ein MVZ in Trägerschaft einer GbR hat auch dann gemäß § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V einen Anspruch auf die Erteilung der erforderlichen Anstellungsgenehmigung durch die Zulassungsgremien, wenn der Arzt, der auf seine vertragsärztliche Zulassung verzichtet, um in dem MVZ angestellt ärztlich tätig zu werden, zugleich als Gesellschafter Anteile an der Träger-GbR des MVZ in beherrschendem Umfang hält. Die von den Zulassungsgremien zu erteilende Genehmigung nach § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V ist an vertragsarztrechtlichen Gesichtspunkten zu messen. Zivil-, gesellschafts-, steuer-, arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Aspekte hindern die Erteilung der Genehmigung nicht, wenn sie vertragsarztrechtlichen Belangen nicht entgegenstehen; sie sind vielmehr daneben von den zuständigen Behörden oder Beteiligten zu beurteilen.

Praxishinweis:

Die Entscheidung des SG Magdeburg ist zu begrüßen. Das BSG hat bereits in den 1960er Jahren anerkannt, dass eine GbR ein Arbeitsverhältnis mit einem Gesellschafter begründen kann (BSG, Urt. v. 26.05.1966 - 2 RU 178/64 - BSGE 25, 51, seitdem st. Rspr.). Der Wortlaut des § 95 Abs. 6 Satz 4 SGB V ist eindeutig. Die Möglichkeit, dass ein Gesellschafter auch Angestellter sein kann, wird als gegeben vorausgesetzt. Fraglich ist allerdings, ob das auch dann gelten kann, wenn -wie im diesem Fall- ein Gesellschafter hälftig beteiligt ist. Für das Arbeitsverhältnis könnte es in dieser Konstellation an der erforderlichen persönlichen Abhängigkeit i.S.d. § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB fehlen. Die Geschäftsführungs- und die Vertretungsbefugnis in Bezug auf Arbeitsverhältnisse war im konkreten Fall zwar beschränkt, das Direktionsrecht stand jedoch jedem Gesellschafter einzeln zu. Dies könnte gegen die Erfüllung aller Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des § 611a Abs. 1 BGB sprechen.

Wir informieren Sie, ob sich das Bundessozialgericht in dem anhängigen Revisionsverfahren gleich positionieren wird.

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Katharina Lieben-Obholzer, Rechtsanwältin bei KMW