Zahnarzthaftung, OLG Frankfurt 8. Zivilsenat, Urteil v. 11.01.2019 - Aufklärungspflicht: Alternative zum Implantat

In der Entscheidung des OLG werden ausführlich die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Aufklärung einer Patientin über gleichwertige Behandlungsalternativen durch die behandelnde (Zahn-) Ärztin und die wirksame Einwilligung der Patientin dargestellt.

Patientenaufklärung und entsprechende Dokumentation - wie wichtig dies für (Zahn-) Ärzte ist, belegt erneut ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main:

Patientin verklagte ihre Zahnärztin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von über 30.000 EUR wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung sowie nicht ordnungsgemäßer Aufklärung über Implantate.

Die Patientin monierte, sie sei nicht über die "bessere" prothetische Versorgung mittels Implantate und der damit gegebenen Möglichkeit einer langfristig festsitzenden Prothese ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Die Klägerin hat behauptet, dass die zahnärztliche Behandlung in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten nicht dem fachärztlichen Standard entsprochen habe. Die Beklagten bzw. die angestellte Zahnärztin hätten es versäumt, vorab Knochenqualität und -dichte festzustellen. Das Implantat in regio 13 sei mangels hinreichender Knochendichte nicht stabil gewesen. Die Teleskopkronen an den Zähnen 21 bis 23 seien nicht fachgerecht hergestellt oder eingegliedert worden. Letztendlich sei die Art und Weise der Befestigung der Prothesen von vornherein ungeeignet gewesen.

Nach Ansicht des Einzelrichters des OLG Frankfurt hatte die behandelnde Zahnärztin glaubhaft machen können, dass die Patientin sehr wohl über die Risiken und Folgen einer Implantation sowie alternativen Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt worden ist. Dies hatte die Zahnärztin anhand einer ausführlichen Dokumentation über die einzelnen Aufklärungs- und Behandlungsgespräche darlegen können. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Behandlungsablauf im Einzelnen:

Sie befand sich in Behandlung bei ihrem Hauszahnarzt. Im Jahr 2012 begab sie sich in die Praxis der Beklagten, weil sie nach einer Behandlung durch ihren Hauszahnarzt im Oberkiefer Schmerzen und eine beginnende Schwellung spürte. Die Behandlung in der Praxis der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt und auch später im Wesentlichen von einer dort damals angestellten Zahnärztin - der Zeugin B - vorgenommen. Nach Behandlung einer Parodontitis, der Extraktion von Zahn 13 durch ihren Hauszahnarzt und anschließender Interimsversorgung setzte die angestellte Zahnärztin bei der Patientin im Mai 2013 regio 13 ein Implantat.

Dieses Implantat sowie die Zähne 21 bis 23 dienten als Pfeiler für eine gaumenfreie OK-Teleskopprothese, im Oktober 2013 eingegliedert worden ist. Die im Bereich der Zähne 21 bis 23 von dem Hauszahnarzt schon vorher eingebrachten Stifte wurden wegen des Risikos der Restzahnzerstörung bei Entfernung belassen. Der Verlauf war zunächst unauffällig.

Im Februar 2014 traten bei der Patienten Beschwerden auf, vor allem die Wange sei stark geschwollen.

Nachdem sich die Beschwerden nicht besserten, äußerte die angestellte Zahnärztin der Beklagten im März 2014 den Verdacht auf eine Kiefergelenksfehlfunktion durch Bruximus nachts und tags. Der Klägerin wurde eine sog. Knirscherschiene verschrieben und angepasst, die sie zur Entlastung tragen sollte. Im Oktober 2014 stellte die angestellte Zahnärztin der Beklagten eine Lockerung der Zähne 21 bis 23 fest. Im Juli 2015 zeigte sich, dass der Zahn 23 wegen erheblicher Aufweichung und Bildung von Karies unter dem zur Stabilisierung des Zahnes gesetzten Stift nicht mehr zu erhalten war.

Die Klägerin machte im Januar 2016 gegenüber den Beklagten geltend, nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein. Sie forderte von den Beklagten Rückzahlung des Honorars in Höhe von 7.385,70 EUR, ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000,00 EUR und Ersatz der Kosten für eine neue Oberkieferversorgung von voraussichtlich 15.000,00 EUR.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass alleinige Ursache der behaupteten Probleme das eigene Verhalten der Klägerin sei. Diese habe es an der ausreichenden Mundhygiene mangeln lassen, die Interimsversorgung nicht konsequent getragen und zahlreiche Termine abgesagt. Hätte die Klägerin die ihr erteilten Hinweise und Anweisungen beachtet und alle angebotenen Termine wahrgenommen, wäre es - so die Beklagten weiter - nicht zum Verlust von weiteren Pfeilerzähnen und damit zur behaupteten Unbrauchbarkeit der Versorgung gekommen.

Hinweise:

Aufklärungspflicht der (Zahn-)Ärztin

Grundsätzlich muss die (Zahn-)Ärztin im Arzthaftungsprozess darlegen und ggf. beweisen, dass sie die Patientin in genügendem Maße über die Risiken des Eingriffs informiert hat:

  • (Zahn-)Ärztinnen führen in aller Regel aber eine kaum überschaubare Vielzahl von Informations- und Aufklärungsgesprächen, so dass kaum zu erwarten ist, dass sie sich an jedes konkrete Aufklärungsgespräch erinnern.
  • Das Gericht darf daher seine Überzeugungsbildung gem. § 286 ZPO auf die Angaben der (Zahn-)Ärztin über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn ihre Darstellung in sich schlüssig und "einiger" Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist.
  • Dies gilt auch dann, wenn die (Zahn-)Ärztin erklärt, ihr sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben. Eine Aufklärung der Patientin über gleichwertige Behandlungsalternativen ist u. a. dann entbehrlich, wenn die Patientin deshalb nicht aufklärungsbedürftig ist, weil sie schon im Bilde ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Patientin bereits einige Wochen und Monate vor der Behandlung im Rahmen anderer Termine zu bestehenden Risiken und zur Frage etwaiger gleichwertiger Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist – soweit sich die äußeren Umstände nicht zwischenzeitlich verändern oder sich die die Risikolage erkennbar erhöht.

Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung der Patientin

Jeder (zahn-)ärztliche Eingriff bedarf der Einwilligung der Patientin. Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn die Patientin das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs in seinen Grundzügen erkannt hat:

  • Dies setzt eine diagnostisch abgesicherte Aufklärung durch die (Zahn-)Ärztin voraus, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen muss.
  • Dabei muss die Aufklärung die im Großen und Ganzen bestehenden Risiken einer ordnungsgemäßen Behandlung zum Gegenstand haben.
  • Die Intensität der Aufklärung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
  • Im Allgemeinen hat eine (Zahn-)Ärztin einer Patientin nicht ungefragt zu erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen und was für und gegen die eine oder andere dieser Methoden spricht, solange sie eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29.06.1995 - 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34).
  • Die Wahl der Behandlungsmethode ist vielmehr primär Sache der (Zahn-)Ärztin.
  • Stehen jedoch für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen der Patientin führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten, muss die Patientin - nach sachverständiger Beratung durch die (Zahn-)Ärztin - selbst prüfen können, was sie an Belastungen und Gefahren im Hinblick auf möglicherweise unterschiedliche Erfolgschancen der verschiedenen Behandlungsmethoden auf sich nehmen will (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22.09.1987 - VI ZR 238/86, NJW 1988, 763, 764).

Prozess gewonnen aufgrund guter Dokumentation

Aufgrund der überzeugenden und glaubhaften Ausführungen einer Zeugin, die die Aufklärung vorgenommen hatte, sowie der ausführlichen Dokumentation stellte das Gericht fest, dass die Patientin ordnungsgemäß über die Behandlungsalternativen aufgeklärt wurde. Unter keinem denkbaren Gesichtspunkt stehe ihr ein Anspruch auf Rückerstattung des Honorareigenanteils oder Erstattung von Rechtsanwaltskosten zu.

Katharina Lieben-Obholzer, Rechtsanwältin bei KMW

Stand: 17.09.2019